Hinweis vorab: das ist die Interpretation eines Staatsbürgers, keine Rechtsberatung.
Es ist immer wieder die Rede von einem weiten Spielraum der Gemeinden – und das führt möglicherweise zu einem falschen Sicherheitsgefühl bei Bürgermeister und Gemeinderäten hinsichtlich Willkür in der Erfüllung ihrer Pflichten und Verantwortung bei Entscheidungen. Daher möchte ich einige Gedanken zu diesem Thema ausführen.
Artikel 28 des Grundgesetzes regelt in Absatz 2: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln„. Daraus folgt eine weite Entscheidungs-/Gestaltungsfreiheit für die Gemeinden in der Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, zu der auch die Wasserversorgung gehört – solange dabei die Gesetze eingehalten werden.
Dazu ist grundsätzlich anzumerken, dass diese Rechte der Gemeinde – als örtlicher Gemeinschaft – zustehen, nicht den Gemeindeorganen zu Lasten der örtlichen Gemeinschaft. Insbesondere kann diese Freiheit der Gemeinde nicht als Recht der Gemeindeorgane interpretiert werden, die Rechte von Mitgliedern der örtlichen Gemeinschaft unzulässig einzuschränken.
Die Regelungen vieler Satzungen zur Wasserversorgung mit Anschlusszwang und Beitragserhebung greifen gleich zweifach in vom Grundgesetz gesicherte Rechte ein, in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2, Absatz 1) und das Recht auf Eigentum (Art. 14). Dies ist in dem Umfang zulässig, in dem es in der Interessenabwägung unumgänglich zur Sicherung anderer Grundrechte ist. Bei der Wasserversorgung ist das nach meinem Kenntnisstand u.a. die Vorbeugung gegen Seuchen als Folge der Verwendung unsauberen Wassers.
Das Grundgesetz lässt Eingriffe in das Eigentum aufgrund von Gesetzen zu, dies darf aber nicht zu einer willkürlichen Aushöhlung des Grundrechts führen (sonst wäre das Gesetz als verfassungswidrig zu bewerten). Die bayerische Gemeindeordnung enthält die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Haushaltsführung, die meines Erachtens in besonderer Weise im Fall der Finanzierung durch die Erhebung von Herstellungs- und Verbesserungsbeiträgen gilt, da in diesem Fall unmittelbar in das Eigentum der Gemeindeangehörigen eingegriffen, somit ein Grundrecht gefährdet wird.
Wie aus dem Grundgesetz folgt, besteht der Spielraum der Gemeinden zur Regelung ihrer Belange nur im Rahmen der Gesetze, ein weiter Spielraum besteht nur insoweit, als Gesetze nicht verletzt werden. Die Verpflichtung zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ist jedoch Teil des gesetzlichen Rahmens, der Spielraum endet also da, wo diese Verpflichtung verletzt wird.
Neben dem Gestaltungsspielraum der Gemeinden im Rahmen der Gesetze besteht hinsichtlich der Verpflichtung zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ein weiterer Spielraum, das ist ein Beurteilungsspielraum, welche Lösung aus mehreren als wirtschaftlich und sparsam zu bewerten ist. Dieser Spielraum muss insbesondere dann eng interpretiert werden, wenn seine Nutzung zur Einschränkung von Grundrechten wie der Garantie des Eigentums führt.
Bei Finanzierung von Aufwendungen der Gemeinden durch Umlegung auf die Bürger über Beitragsbescheide ist zu beachten, dass ein kleines Gremium über den (indirekten) Transfer von Eigentum der Bürger an planende und ausführende Unternehmen entscheidet. Gerade wenn es sich um hohe Investitionssummen handelt und somit viel Geld bewegt und verteilt wird, kann das begünstigen, dass Partialinteressen der Entscheidenden über die Interessen der Gemeinschaft gestellt werden – bis hin zu Provisionen oder Schmiergeldzahlungen an Personen, die die Entscheidung vorbereiten oder treffen. Es besteht also ein erhöhtes Risiko für Straftaten, wie beispielsweise Untreue gemäß §266 StGB. Auch zur Vermeidung entsprechender Risiken ist eine enge Interpretation des Beurteilungsspielraums bezüglich Erfüllung der Verpflichtung zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwingend – je weiter eine Maßnahme von der wirtschaftlichsten und sparsamsten Lösung abweicht, je höher die Kosten einer Maßnahme steigen, desto größer wird das Risiko rechtswidriger Handlungen der Entscheidungsgremien, da umso mehr Eigentum der Bürger jenseits des erforderlichen Minimums verteilt wird.
Darüber hinaus ist Voraussetzung für die Geltendmachung eines Beurteilungsspielraums, dass die gesamte Breite möglicher Lösungen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfasst, beurteilt und bewertet wird. Diese Aufgaben müssen mit der gegebenen Sorgfalt behandelt werden. Dies ist jedoch im Rahmen der Entscheidung für den Bau der Wasserbehälter offensichtlich nicht erfolgt – eine gleichzeitig naheliegende und wesentlich wirtschaftlichere Lösung, die Versorgung des Verbrauchsnetzes direkt aus den Wasserbehältern an den Brunnen, wurde in keiner Form bewertet und verglichen. Auch wurden unterschiedliche Betriebsmodi der Behälterbefüllung und deren Einfluss auf das erforderliche Behältervolumen nach allem Anschein nicht untersucht. Damit erfüllt die Entscheidung nicht die Anforderungen zur Nutzung eines Beurteilungsspielraums, hält den nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebotenen gesetzlichen Rahmen nicht ein.
Ein Berufen der Gemeindeorgane auf einen weiten Spielraum scheint mir im Licht dieser Betrachtungen als nicht angemessen/zulässig.